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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 108/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO §§ 512 ff.
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 108/05

Verkündet am: 11.05.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.10.2004, Az.: 7 Ca 781/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Rechtsstreits.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf S. 2 bis 8 des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.10.2004 (Bl. 68 bis 74 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 15.04.2004 nicht beendet wird,

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Busfahrer weiterzubeschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 26.03.2004 ersatzlos aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat mit Urteil vom 07.10.2004 (Bl. 67 ff. d.A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.04.2004 nicht beendet worden ist; des Weiteren hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Busfahrer weiterzubeschäftigen; im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung des klagezusprechenden Teiles seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, die fristlose Kündigung der Beklagten vom 15.04.2004 sei rechtsunwirksam, da die rechtlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt seien. Der Kläger habe zwar seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, als er in der Zeit vom 24.03. bis 28.03. und ab dem 13.04.2004, ohne Einholung einer ausdrücklichen Genehmigung der Beklagten, von seiner Arbeit ferngeblieben sei. Dieses unentschuldigte Fehlen sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

Aufgrund der durchzuführenden Interessenabwägung sei aber festzustellen gewesen, dass die berechtigten Interessen der Beklagten gegenüber dem Fortbestandsinteresse des Klägers nicht überwogen hätten. Hierbei sei zu beachten gewesen, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers dieser aufgrund seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat ordentlich unkündbar sei; obwohl mithin eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen sei, müsse im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung die fiktive Kündigungsfrist des Klägers zugrunde gelegt werden, welche sich vorliegend auf vier Wochen zur Monatsmitte bzw. zum Monatsende belaufe. Er dürfe nämlich als Betriebsratsmitglied nicht schlechter gestellt werden, als ein vergleichbares Nichtbetriebsratsmitglied. Am 24.03.2004 habe der Betriebsleiter W, der bei der Beklagten für das Personal verantwortlich sei, zumindest durch Dritte erfahren, dass der Kläger bereits ab dem 24.03.2004 wegen der Kurmaßnahme seiner Ehefrau und seinem Einsatz als Haushaltshilfe nicht mehr zur Arbeit erscheinen werde. Aufgrund dessen habe sich die Beklagte ab diesem Zeitpunkt auf das Fernbleiben des Klägers einstellen können. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte, falls der Kläger ordnungsgemäß Urlaub beantragt hätte, diesen hätte ablehnen können. Denn dieser hätte als - seitens der LVA - anerkannte Haushaltshilfe seine 7-jährige Tochter für die Dauer der Abwesenheit seiner Ehefrau betreuen müssen. Entgegenstehende betriebliche Interessen habe die Beklagte nicht dargetan. Zu Lasten des Klägers sei allerdings zu berücksichtigen, dass er trotz der Abmahnung vom 26.03.2004 auch für den weiteren Zeitraum ab dem 13.04.2004 keine Freistellung beantragt habe. Aufgrund des Schreibens der LVA vom 23.03.2004, welches der Beklagten am 31.03.2004 übergeben worden sei, und der Mitteilung des Klägers gegenüber der Auszubildenden V, dass die Kur seiner Ehefrau bis zum 28.04.2004 dauere, sei der Personalleitung der Beklagten über Gründe und Dauer des wahrscheinlichen Fehlens des Klägers informiert worden. Auch für den Zeitraum vom 13.04. bis 28.04.2004 sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte einen Antrag des Klägers auf unbezahlte Freistellung berechtigt hätte ablehnen können. Trotz der relativ kurzen Betriebszugehörigkeit des Klägers von 1 3/4 Jahren seien die negativen Auswirkungen seines Fehlverhaltens für die Beklagte nicht so gewichtig, dass eine Weiterbeschäftigung zumindest für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist nicht hätte zugemutet werden können.

Da das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht beendet worden sei, habe der Kläger einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 8 ff. des Urteils vom 07.10.2004 (Bl. 74 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 12.01.2005 zugestellt worden ist, hat am 11.02.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 30.03.2005 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 31.03.2005 verlängert worden war.

Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht hätte bei seiner Interessenabwägung berücksichtigen müssen, dass bei der Beklagten keine Vorabkenntnis von dem Fernbleiben des Klägers im Zeitraum zwischen dem 24.03. und 27.03.2004 sowie ab dem 13.04.2004 vorgelegen habe. Während des unentschuldigten Fehlens des Klägers habe bei der Beklagten Personalmangel geherrscht, so dass der Ausfall des Klägers zu entsprechenden organisatorischen Problemen geführt habe. Der Kläger sei, trotz Kenntnis von dem Personalengpass, seiner Arbeit ferngeblieben; hierdurch sei es nicht möglich gewesen, eine ungestörten Betriebsablauf aufrecht zu erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30.03.2005 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz (Az.: 7 Ca 781/04) vom 07.10.2004 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, der Betriebsleiter W habe bereits am 22.03.2004 davon Kenntnis gehabt, dass der Kläger ab dem 24.03.2004 wegen des Beginns der Rehabilitationsmaßnahme seiner Ehefrau zuhause bleiben werde. Der Kläger habe dies nämlich Herrn W persönlich während eines Gesprächs am 22.03.2004 im Büro des Betriebsleiters mitgeteilt. Am 23.03.2004 habe der Kläger seine Arbeit entsprechend dem Dienstplan gegen 13.30 Uhr auf dem Betriebsgelände der Beklagten aufgenommen und dort Herrn U, der für die Dienstplaneinteilung bei der Beklagten zuständig sei, getroffen. Auf Frage des Klägers, wie es nun ab dem Folgetag aussehe, habe Herr U geantwortet, er könne zuhause bleiben, seine Dienste würden von Herrn T gefahren. Unmittelbar danach habe er Herrn T im Aufenthaltsraum getroffen, der erklärt habe, er werde die Touren des Klägers natürlich übernehmen. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund ihrer Kenntnis des Fernbleibens des Klägers, habe entsprechend disponieren können.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.05.2005 (Bl. 106 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die fristlose Kündigung vom 15.04.2004 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet, da sie unter Berücksichtigung von § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam ist. Des Weiteren steht dem Kläger ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Busfahrer zu. Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat dies in seinem Urteil vom 07.10.2004 mit vollumfänglich zutreffenden rechtlichen Erwägungen festgestellt. Die Berufungskammer macht sich die Ausführungen des Arbeitsgerichtes zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu Eigen und sieht von einer erneuten Darstellung ab. Die Einwendungen der Beklagten gegen die erstinstanzliche Entscheidung greifen nicht durch.

1.

Der Einwand der Beklagten, die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts sei unrichtig, da die Beklagte tatsächlich eine Vorabkenntnis von dem unentschuldigten Fehlen des Klägers während der Zeit vom 24.03.2004 bis 27.03.3004 und ab dem 13.03.2004 gehabt habe, ist nicht gerechtfertigt. Denn die Beklagte hatte, wie sich teilweise aus ihrem eigenem Vorbringen und teilweise aus dem unstreitigen Tatbestand, ergibt, im Voraus von den nachfolgenden Pflichtverletzungen des Klägers Kenntnis.

Wegen Abwesenheit vom 24.03. bis 27.03.2004 wurde der Kläger von dem Personalleiter der Beklagten, Herrn W, bereits am 23.03.2004 angesprochen und darauf hingewiesen, dass er nicht ohne Einwilligung zuhause bleiben könne. Kenntnis von einer entsprechenden Absicht des Klägers hat Herr W offenbar von Herrn U, einem Mitarbeiter des Bereiches "Disposition/Verkehrsaufsicht" erlangt, dem gegenüber der Kläger bereits am 22.03.2004 unter Hinweis auf die LVA Rheinland-Pfalz erklärte, er werde schon ab dem 24.03.2004 zuhause bleiben. Auf die Rüge des Personalleiters W hat der Kläger, laut dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten vom 30.08.2004 (S. 2 = Bl. 50 d.A.) erwidert, und ob er das könne, die LVA habe ihm dies genehmigt. Mithin musste die Beklagte zumindest ab dem 23.03.2004 mit einem unentschuldigten Fehlen des Klägers ab dem Folgetag bis zu dem genehmigten Erholungsurlaub, also bis zum 29.03.2004 rechnen.

Entsprechendes gilt für die Zeit nach dem Ende des Erholungsurlaubes, also ab dem 13.04.2004. Der Kläger hat nämlich am 31.03.2004 den Bescheid der LVA Rheinland-Pfalz vom 23.03.2004 (Bl. 35 d.A.) bei der Beklagten abgegeben. Diesem Bescheid ist zu entnehmen, dass der Ehefrau des Klägers Haushaltshilfe bewilligt worden ist und der Kläger als Haushaltshilfe einen Nettoverdienstausfall bis zur Höhe von 60,00 EUR täglich erstattet bekommen sollte. Des Weiteren hat der Kläger gegenüber Frau V, die bei der Beklagten ausgebildet wird und den Bescheid der LVA entgegengenommen hat, unstreitig erklärt, dass seine Ehefrau erst am 28.04.2004 wieder aus der Kur zurückkehren werde. Der Bescheid der LVA wurde dem Personalleiter der Beklagten übergeben, der unstreitig anschließend die LVA hierzu telefonisch befragte. Mithin ist der Beklagten auch die Absicht des Klägers bekannt gewesen, bis zum 28.04.2004 als Haushaltshilfe in der Wohnung seiner Ehefrau tätig zu sein und infolgedessen nicht zur Arbeit zu erscheinen.

Zu betonen ist, dass dies alles das pflichtwidrige Verhalten des Klägers nicht rechtfertigt, aber verdeutlicht, dass die Beklagte im Vorhinein Kenntnis über das vom Kläger beabsichtigte unentschuldigte Fehlen hatte.

2.

Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung weiter ausgeführt hat, bei der Interessenabwägung sei vom Arbeitsgericht nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass das unentschuldigte Fehlen des Klägers, aufgrund des bestehenden, dem Kläger bekannten Personalmangels, zu organisatorischen Problemen geführt und den Betriebsablauf gestört habe, folgt die erkennende Kammer dieser Auffassung nicht. Denn die Beklagte hat weder erst- noch zweitinstanzlich etwaige Betriebsablaufstörungen konkret und damit gerichtsverwertbar vorgetragen. Zu ihren Gunsten sind bei der Interessenabwägung daher im Wesentlichen die kurze Betriebszugehörigkeit des Klägers und seine - auch nach Ausspruch einer schriftlichen Abmahnung - gezeigte Uneinsichtigkeit und Hartnäckigkeit zu berücksichtigen. Andererseits hätte ein etwaiger Urlaubsantrag des Klägers - wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - angesichts der notwendigen Betreuung der 7-jährigen Tochter des Klägers während der Abwesenheit der Mutter nicht abgelehnt werden können; die Beklagte vermochte auch einen solchen Ablehnungsgrund, der zu einem Überwiegen der betrieblichen gegenüber der persönlichen Interessen des Klägers in diesem Zusammenhang geführt hätte, nicht in konkreter Weise vorzutragen.

Unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände hätte das Verhalten eines Arbeitnehmers, der - ohne Betriebsratsmitglied zu sein - mit dem Kläger im Übrigen identisch wäre, zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung geführt. Angesichts des Sonderkündigungsschutzes, den der Kläger als Betriebsratsmitglied genießt, ist diese Kündigungsmöglichkeit aber gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 15 KSchG). Da mithin feststeht, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers für die Dauer einer - hier lediglich fiktiv zu beachtenden - Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre, führt dies zu einem überwiegend Fortbestandsinteresse gegenüber dem das Interesse der Beklagten an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurücktritt.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben; für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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